top of page

TIMO BEIM MEGAMARSCH SPEZIAL SYLT - EINE MEDAILLE FÜR OMA


Drei Jahre! Drei Jahre, die wir warten mussten, bis wir erneut 100 Kilometer, einmal um die Insel Sylt herum, wandern durften. Man könnte meinen, in diesen drei Jahren kann man sich optimal auf so eine Herausforderung vorbereiteten. Ich habe das natürlich (mal wieder) nicht gemacht. Klar habe ich was mentale Vorbereitung angeht und die Kenntnisse, um einen 100 KM Megamarsch, beste Voraussetzungen durch meinen Job bei Megamarsch selbst, aber was das Wandern an sich angeht, nun ja…

Ich wollte es wieder wissen. Kann ich einen Megamarsch mit reiner mentaler Vorbereitung schaffen, ohne extra dafür zu trainieren? Ja das geht, aber dazu später mehr. Ich bin jetzt nicht unsportlich, gehe viel und regelmäßig ins Fitnessstudio - aber reicht sowas überhaupt für einen Megamarsch? Mir war es wichtig: Ich möchte die 100 KM in unter 24 Stunden schaffen, wenn möglich sogar schneller. Als Antrieb reichte es mir, mir selbst beweisen zu können, dass man alles schaffen kann, wenn man denn möchte.


So startete ich also pünktlich am Samstag Mittag um 12 Uhr meinen zweiten Megamarsch auf Sylt. Dabei waren wieder meine Familie und die Unterstützung durch Kollegen und Freunde über WhatsApp und Co. Der Anfang kam mir noch genau so wie 2019 vor, doch die Erinnerungen schwanden schnell. Da ist doch tatsächlich jemand auf die Idee gekommen, jede Menge Sand in die neue Strecke einzubauen. Ich meine, ein Megamarsch Spezial Sylt ohne Sand ist nun mal auch kein Megamarsch Spezial, aber vielleicht war es am Ende doch etwas zu viel des Guten. Nachdem einige Kilometer auf den Stränden von Sylt hinter uns lagen, war das Gefühl in den Beinen noch bestens. Als würde der Sand keinen Unterschied machen. Bis zur VPS 1 lief alles wie geplant. Über 5 km/h war das Ziel, mit 5,3 km/h kamen wir an der 1. Station an. Die Pause bestand ebenfalls nur aus Wasser auffüllen, die verdiente Gewürzgurke essen und weiter geht’s.


Immer wieder habe ich alte Bekannte getroffen und mit dem Team ein Beweisfoto gemacht. Bis dahin gab es noch einige Gespräche, was sich jetzt aber schnell änderte, denn immer mehr hat man sich nur noch auf sich selbst konzentriert. An dieser Stelle möchte ich auch die Sylter Bewohner loben, denn man merkte, dass wir auch Unterstützung von ihnen während der Wanderung bekamen. So stellte ein Haus ein Teeservice mit Schwarztee, Keksen, Gummibärchen und sogar Schnaps auf. An anderer Stelle spielte ein Trompeten-Spieler aus der Ferne Songs für uns. „Möge die Straße“ und „Oh Du Fröhliche“ konnte ich erkennen. Am liebsten hätte uns der Spieler die ganze Zeit verfolgen können. Aber jetzt ging’s erstmal weiter zur VPS 2 und was hier passiert ist, verstehe ich bis heute nicht. Mit jedem Kilometer wurden meine Beine schwerer und meine Hüfte schmerzte mehr und mehr. Dabei waren wir doch gerade mal bei KM 30. Anscheinend hat der Sand wohl doch mehr Kraft gekostet als gedacht. Die Schmerzen wurden so groß, dass ich bereits bei der VPS 2 dachte, ich bin vom Schmerzlevel gerade an der VPS 5 angekommen. Ich musste mich erstmal hinsetzen und ordentlich Kraft tanken. Durch den Kartoffelsalat und die Pause wurde es aber schon etwas besser.


Bei bestem Wetter für den Sylter Oktober ging es dann nach einer guten Pause weiter. Auch wenn es zwischendurch kurzzeitig regnete, hat mir die Megamarsch Hose von Alberto bestens ausgeholfen und ich war verwundert, wie schnell die Hose nach einem Regen wieder trocknet. Die Strecke von der 2. zur 3. Station verging wie im Flug. Ich fühlte mich, als wäre ich gerade erst gestartet. Mein Körper hatte sich besser an die Umstände gewöhnt. An der VPS 3 gab es dann erstmal eine gute Portion Linsensuppe und ich muss ehrlich sagen, ich verstehe nicht, warum viele diese nicht mögen. Klar, es fehlt vielleicht etwas an Gewürzen aber da kann man sich auch selber mit etwas Salz von der Station nachhelfen. Nach einer guten Stärkung ging es also weiter Richtung Ziel und nachdem wir bereits die erste Hälfte geschafft hatten, kam der Wunsch nach der Medaille immer näher. Wenige Meter nach der Station lief mein Vater plötzlich zum Busch und übergab sich. Irgendetwas gefiel seinem Magen überhaupt nicht und von jetzt auf gleich kam der Gedanke auf: Ist jetzt schon Schluss? Aber nach einigen Minuten warten, ging es dann doch für uns alle weiter. So kämpften wir uns weiter bis zum Rantumbecken. Ich erinner mich noch gut an unseren (Fast-)Endgegner aus 2019. Dieses Jahr blieb uns das Spektakel dank fehlendem Wind und Regen erspart. Dafür musste mein Vater schon vor dem Becken extrem kämpfen. Irgendwie ging es im schlechter und schlechter. Auch meiner Mutter wurde ruhiger, aber nach eigener Aussage lief alles noch gut.


An der VPS 4 angekommen, drehte sich der Spieß nun aber endgültig. Ich hatte mir einen extremen Wolf gelaufen und die Schmerzen waren kaum noch auszuhalten. Meine Mutter und Vater schliefen an der Station ein. Meine Mutter musste sich anschließend auch noch stark übergeben, weshalb der Schlussstrich gezogen werden musste. Für meine Familie war hier der Megamarsch beendet und meiner Mutter war die Enttäuschung nur so ins Gesicht geschrieben. Sie wollte die Medaille doch extra für ihre vor kurzem erst verstorbene Mama (meine Oma) holen. Aber die Signale vom Körper waren eindeutig und alles andere wäre fahrlässig und zu gefährlich gewesen. An dieser Stelle habe ich nochmal überlegt, ob ich wirklich weitermachen möchte, aber aus meinem Ziel „es mir selber beweisen zu wollen“, wurden jetzt zwei: Die Medaille für meine Oma. Jeder Schritt nach einer Pause tat umso mehr weh und meine Beine fühlten sich sich an, als würde bereits Blut an ihnen runter laufen. Aber der Mut und der Wille für meine Familie weiterzumachen, waren zu groß. Also ging es weiter, alleine in der Dunkelheit. Ich wusste, wenn ich die nächsten 12,5 KM schaffe, schaffe ich es auch bis ins Ziel. So ging ich weiter und weiter und klemmte mich an weitere Teilnehmer, um nicht ganz so alleine sein zu müssen. Aber 12,5 KM können sich bei großen Schmerzen und langen Strecken nur geradeaus ziehen wie Kaugummi. Eine Lösung musste her und was bietet sich da besser an, als zu joggen. Ja tatsächlich, Du hast richtig gelesen! Ich fing an zu joggen, denn Schmerzen hatte ich eh und für mich machte es keinen Unterschied, ob ich die jetzt beim Wandern oder Joggen hatte. An der Ausdauer scheiterte es ja zum Glück nicht. So konnte ich einige Minuten gut machen und kam um 5:30 Uhr an der VPS 5 an. Meine letzte Station vor dem Ziel. Noch einmal Pause machen, Kraft tranken und weiter machen. Die VPS-Karte eingesteckt, das letzte Beweisfoto von insgesamt fünf Stück gemacht und weiter ging’s. Nach gerade mal 30 Min Pause ging es auf die letzte Etappe.

Ich hatte extra so wenig Pause wie möglich gemacht, denn die Schmerzen wurden sowieso nicht weniger und ich darf weder müde werden noch dürfen sich meine Beinmuskeln zu sehr entspannen. Bei der Pause habe ich Jens getroffen, einen unserer treuen Zuhörer beim Megamarsch Podcast „Von 0 auf 100!“. Er ging mir voran und nachdem ich mal wieder anfing zu joggen, holte ich ihn dann doch noch ein. Die letzten Kilometer machten wir also zusammen. Dadurch, dass ich nicht mehr alleine war und wir uns vom Sehen schon kannten, viel es mir auch bedeutend leichter, ohne weitere Pausen Richtung Ziel zu wandern. Wir sprachen über viele unterschiedliche Themen und durch das schelle Tempo, vergingen die letzten Stunden (zum Glück) wie im Flug. Nachdem wir die letzten langen Strecken nur gerade schafften, wurde es leichter und leichter. Die Tage sprach jemand noch von der magischen fünf. Sie gibt’s wirklich! Ab KM 95 wird es von Schritt zu Schnitt besser und die Vorfreude stieg.


Nun folgt die letzte Bastion: Die Himmelsleiter. Nach sehr sehr langsamen Schritten, konnte ich sie dann auch überwinden und Jens und seine Gruppe feuerten mich an, dass ich so schnell wie möglich die letzten Stufen hinter mir lassen kann. Da standen wir nun. Mit herrlichem Blick auf die Küste von Sylt, wurden Fotos und Videos gemacht und die letzten Meter mussten einfach nur noch begangen werden. Wir konnten die Musikmuschel schon sehen. Die Leichtigkeit wurde immer größer und da standen sie: Meine Arbeitskollegen und Freunde, die auf uns warteten. Von Weite hörten wir den Applaus. Jetzt hatten wir es endlich wieder geschafft. Nach 21:30 Stunden gingen wir durch den Zielbogen. 100 KM auf Sylt lagen nun hinter uns und dafür eine Medaille mehr um den Hals. Ich freue mich jetzt noch, wenn ich an den herzlichen Empfang meiner Kollegen denke. Ich habe es wieder geschafft und konnte meine Grenzen ein weiteres Mal sprengen. Die Medaille wurde um meinen Hals gehängt und damit überkam mich mein letzter Gedanke: Die ist für Dich, Oma!


Danke an meine Familie, Arbeitskollegen und Freunde für die Unterstützung während des gesamten Megamarschs. Ohne Euch wär der Megamarsch nicht so schön geworden!


Sportliche Grüße

Euer Timo


---

Fotocredits: Sportogaf

bottom of page